Ostfriesen-Zeitung (21.04.2017)
von Martin Gadow
Einmal jährlich kommt auch die Stadt Leer in den Genuss der Konzerte des „Landesjugendorchesters Bremen“, einer musikalischen Projekt-Initiative, die junge Nachwuchs-Talente fördert und turnusmäßig um die Erarbeitung Themen-spezifischer Konzertprogramme versammelt. Das Gelingen dieser Zielsetzung bedingt eine fachlich kompetente Begleitung durch erfahrene Berufsmusiker während der Vorbereitungsphase und ist letztlich immer wieder nur realisierbar aufgrund des unermüdlichen, geradezu visionären Einsatzes des Dirigenten Professor Stefan Geiger. Wie sonst wären wohl die auch diesmal wieder erlebten erstaunlichen Leistungen auf beispielhaft hohem Niveau zu erklären!
Das jüngste Konzert wurde dementsprechend wiederum von zwei höchst anspruchsvollen Werken bestimmt, die man nicht gerade zu den leicht verdaulichen Ohrwürmern zählen kann, sondern die in ihrer direkten Ansprache eine wache Aufmerksamkeit und Bereitschaft zum Hinhören erfordern. Das von Erich Wolfgang Korngold komponierte Violinkonzert lässt sich indes aufgrund seiner vorgegebenen Struktur trotz manch kühner Wendungen und rasch wechselnder Tempi und Stimmungen gut mitverfolgen. Die renommierte Violinistin Tanja Becker-Bender brillierte in allen drei Sätzen mit sichtbar großer Spielfreude souverän auf ihrem zugleich warm und hell strahlend klingenden Instrument. Ihre differenzierende Technik über schwebenden Orchesterklängen und ihre hingebungsvolle Ausdruckskraft kamen besonders im Andante-Satz zu großer Wirkung. Den verdienten lebhaften Applaus der Zuhörer beantwortete sie mit einer Zugabe in Gestalt eines sehr meditativ gespielten Satzes aus einer Solo-Suite von Johann Sebastian Bach.
Dmitri Schostakowitschs 5.Sinfonie bot nach der Pause dann weiteren jungen Musikern in aufgestockter Orchesterbesetzung Gelegenheit, sowohl als Klang-Gruppe als auch solistisch ihr bereits bemerkenswert professionelles Können unter Beweis zu stellen. Die anhand der Programm-Lektüre vorbereiteten Zuhörer verfolgten mit spürbarer Spannung die – hier wie in anderen Werken Schostakowitschs – verarbeitete innere Dramatik seiner politisch aufgenötigten Kompromisse zwischen geistigem Anspruch und verordneter populärer Konsum-Konformität. Doch gerade diese Situation damals hatte den Komponisten offenbar zu genialen „Auswegen“ angespornt. Die gekonnt musizierten raschen Wechsel zwischen energisch gesetzten Fortissimo-Akzenten und verträumt schwebenden Balladen-artigen Passagen ließen die Zuhörer die innere Aufgewühltheit des Komponisten miterleben. Dem Dirigenten Stefan Geiger ist mit seinen jungen Musikern hiermit erneut eine höchst effektive Durchdringung dieses technisch wie künstlerisch hohen Anspruchs gelungen! Lautstarker, lang anhaltender jubelnder Beifall war der Lohn für dieses ereignisreiche Konzert!